Analyse von Bietstrategien und deren Einfluss auf den Strompreis im EU-Binnenmarkt

Hintergrund

Der Wert elektrischer Energie wird im Rahmen von Einheitspreisauktionen an der Strombörse für jede Lieferstunde bestimmt. Die Stromerzeuger bieten an der Strombörse einen Erzeugungspreis pro Megawattstunde (MWh) an, der die variablen Kosten des Kraftwerksbetriebs widerspiegelt. Diese Grenzkosten geben die Kosten für die nächste zu produzierende Einheit Strom an. An der Börse werden die Grenzkosten aller Anbieter der Reihe nach geordnet, beginnend vom Kraftwerk mit den geringsten Grenzkosten (Merit-Order). Ebenso werden die nachgefragten Strommengen hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft geordnet, beginnend mit der Stromnachfrage mit der höchsten Zahlungsbereitschaft. Der Schnittpunkt der Erzeugerkurve und der Nachfragekurve ergibt schließlich den Wert des Stroms, der somit die Grenzkosten des teuersten gerade noch notwendigen Kraftwerks darstellt.

Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien wird das Kraftwerksportfolio in einem Marktgebiet in Zukunft deutlich heterogener aufgestellt sein. Neben den regenerativen Erzeugungstechnologien werden Speicher und auch Nachfrageflexibilitäten eine zunehmende Bedeutung am Markt einnehmen und die Charakteristik der Merit-Order deutlich verändern. Da die Grenzkosten der erneuerbaren Energien Anlagen nahezu null sind, kann deren zunehmender Handel an den Märkten zu großen Differenzen zwischen den Grenzkosten der bietenden Kraftwerke führen. Gleichzeitig können besonders die zu erwartenden Volatilitäten bei der Erzeugung aus erneuerbaren Energien zu sehr geringen Strompreisen führen und damit Refinanzierungen erschweren. Auch unvorhergesehene starke Preisanstiege der Rohstoffe können das gewohnte Handelsbild verändern, denn bei einem gleichgebliebenen Kraftwerkspark steigen die Beschaffungskosten – und damit die Grenzkosten – für konventionelle Kraftwerke überproportional. Zusätzlich verbindet die europäische Marktkopplung unterschiedliche Erzeugungsparks miteinander und verändert damit ebenfalls die bestehenden Märkte und deren Handelseigenschaften. Diese bevorstehenden Veränderungen des Marktes können zu einem strategischen Verhalten der Marktteilnehmer führen, das sich von dem Bieten nach den Grenzkosten unterscheidet. Dieses strategische Verhalten, wie zum Beispiel ein Aufschlag auf die Grenzkosten oder eine strategisch platzierte Stromnachfrage, ist mit einem geringen Risiko behaftet und kann den Profit stark erhöhen. Aus Sicht aller Marktteilnehmer können daher strategische Gebote im neuen Marktumfeld als wirtschaftliche notwendig erscheinen. Ein Paradigmenwechsel weg von einer grenzkostenbasierten Merit-Order hin zu einer opportunitätskostenbasierten oder auf Grenzkosten plus Markup basierten Merit-Order erscheint erwartbar.

Im Rahmen des Vorhabens BETS sollen nun die an der Strombörse EPEX SPOT vorhandenen Gebotsdaten in den Preiskurven einzelner Marktgebiete auf strategische Muster analysiert werden. Gefundene Strategien sollen in einem zweiten Schritt in die Zukunft getestet werden. Dabei wird deren Einfluss auf den Strompreis und Investitionen in flexible Erzeugungstechnologien in Deutschland unter Berücksichtigung der in Zukunft stark unterschiedlichen nationalen Stromerzeugungssystemen in Europa untersucht werden. Die grundlegenden Ziele des systemanalytischen Projektes sind daher:

  1. Aus vorhandenen Gebotskurven sind Bietstrategien identifiziert worden, die zu Strommarktpreissteigerungen im Vergleich zu grenzkostenbasierten Geboten führen.
  2. Die relevanten Bietstrategien sind über einen lernenden Agenten in europäischen Strommarktmodellen abgebildet.
  3. Der Einfluss der Bietstrategien auf die Strompreise und Investitionen in einem zukünftigen Stromsystem mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien und Speichern ist bestimmt.

Das Team vom Projekt BETS beim Treffen im September 2024 am KIT in Karlsruhe.

 

Partner

Das Projekt wird zusammen mit Wissenschaftlern des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Danmarks Tekniske Universitet (DTU) in Kopenhagen durchgeführt.

 

Finanziert wird das Projekt aus Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK).

 

Laufzeit
01.11.2023 – 31.10.2026

Kontakt
Prof. Marc Deissenroth-Uhrig

Arbeitsfeld(er)
Energiemärkte