Low Carbon Leakage

Idee und Ziele

Deutschland hat in der Umweltpolitik – speziell in der Klimapolitik – lange Zeit eine Vorreiterposition (engl.: first mover) eingenommen. Dies hat den Aufbau inländischer Märkte und inländischer Wertschöpfungsketten für Energiewende-relevante Technologien (sog. Leitmärkte) unterstützt und die Position der entsprechenden Hersteller auf dem Weltmarkt gestärkt.

Je nachdem, wie schnell sich Transformationen – aufgrund der Klimabeschlüsse von Paris oder wegen gestiegener Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energien – nun auch bei ausländischen Handelspartnern vollziehen, können diese die Rolle des first mover und damit auch Leitmärkte übernehmen. Auch im Fall eines vorhandenen inländischen Leitmarktes kann es aus Unternehmensperspektive sinnvoll sein, die entsprechenden Wertschöpfungsketten in das Ausland zu verlagern, wenn der ausländische Absatzmarkt in Relation zum inländischen groß genug ist. Mit anderen Worten kann Deutschland Leitmärkte an Handelspartner verlieren, wenn die Absatzmärkte dort nicht schnell genug wachsen.

D.h. der Effekt der Energiewende auf die deutschen und internationalen Wertschöpfungsketten für Energiewende-relevante Technologien hängt nicht allein von der Geschwindigkeit der deutschen Energiewende ab, sondern auch von der Geschwindigkeit der Transformationen der Handelspartner und der potentiellen Konkurrenten für die Herstellung dieser Technologiegüter. Somit ist die relative Geschwindigkeit zwischen deutscher Energiewende (Leitmarkt) und den ausländischen Transformationen (Absatzmärkten) entscheidend. Das Risiko eines Verlusts der Vorreiter-Position bei Energiewende-relevanten Technologien – und einer damit verbundenen Abwanderung von Leitmärkten – in dem Moment, in dem sie beginnen sollen sich auszuzahlen, kann mit low-carbon leakage umschrieben werden. Unter welchen Umständen genau low-carbon leakage auftreten kann und mit welchen Strategien diesem Risiko wirksam begegnet werden kann, soll in diesem Projekt untersucht werden.

Innovativer Charakter

Das Vorhaben wird solche und ähnliche Mechanismen in Modellen abbilden. Dafür müssen die vorhandenen Modelle erheblich erweitert werden. Mit dem erweiterten Modellset können Effekte unterschiedlicher relativer Transformationsgeschwindigkeiten (im Vergleich zum Ausland) und regulatorischer Rahmenbedingungen auf Markt- und Diffusionsentwicklung analysiert werden. So kann abgeschätzt werden, bei welchen Branchen – und damit bei welchen Akteuren – eine Abwanderung entweder der Unternehmen oder nur der Wertschöpfung unter welchen Bedingungen wahrscheinlich ist und welche volkswirtschaftlichen Effekte dies nach sich zieht.

Außerdem werden die Modelle um soziotechnische Analysen erweitert, die den regulatorischen und gesellschaftlichen Rahmen abbilden. Damit werden andere Annahmen für die Modellierung erarbeitet als sonst üblich und die daraus folgenden, modifizierten Ergebnisse werden in die soziotechnischen Analysen zurückgespeist. Daraus wird ein Narrativ entwickelt, um die Bedeutung der Leitmärkte (oder deren Abwesenheit) für eine innovationsorientierte Energiewende einzuordnen. Somit zeigen die soziotechnischen Aspekte einerseits auf, unter welchen regulatorischen, gesellschaftlichen usw. Voraussetzungen Leitmärkte entstehen. Andererseits zeigt die Rückspeisung der Ergebnisse in die soziotechnische Analyse die Auswirkungen eines Verpassens des Pfades einer innovations- und exportorientierten Energiewende auf.

Geplanter Ablauf

  • AP 1: Projektmanagement
  • AP 2: Abbildung Wertschöpfungsketten für die verschiedenen Energiewende-relevanten Güter, Definition Indikatoren und Schnittestellen für das Sicherstellen der Kompatibilität zwischen Modellierung und soziotechnischer Analyse
  • AP 3: soziotechnische Analysen als Grundlage für die neuen – von den Standardannahmen abweichenden – Modellläufe
  • AP 4: Modellerweiterung und Kalibrierung
  • AP 5: Durchführung Modellläufe
  • AP 6: Zusammenführung Ergebnisse

Das Vorhaben wird gemeinsam mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (>> zur Homepage) durchgeführt.

Laufzeit:
09/2020 bis 08/2023
Arbeitsfeld(er):